SPD Regensburg

Interview mit Bürgermeister Joachim Wolbergs

Veröffentlicht am 24.07.2010 in Kommunalpolitik

Für die neue Stadtteilzeitung "Südblick" hat der Ortsvereins Kumpfmühl/Königswiesen/Ziegetsdorf Bürgermeister Joachim Wolbergs interviewt. Das vollständige Interview lesen Sie hier.

Bürgemeister Wolbergs sind jetzt gut zwei Jahre im Amt. Ist die Arbeit in dieser Position so wie Sie es sich vorgestellt haben, oder haben Sie auch Dinge überrascht?
Im Prinzip ist es so wie ich es mir vorgestellt hatte, schließlich war ich vorher schon 12 Jahre im Stadtrat. Was ich aber nicht so erwartet hatte, war das große Maß an klassischer Verwaltungsarbeit, die das Amt mit sich bringt. Da stoße ich auch noch manchmal an meine Grenzen. Es ist ein sehr anstrengender, super spannender Job, man lernt auch ständig unglaublich viel dazu. Deshalb macht mir die Arbeit sehr viel Freude.

Sie genießen also Ihre Arbeit?
Ja, ich mache sie mit großer Freude, weil ich jeden Tag mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Es ist so vielfältig, dass einem nie langweilig wird und es immer mit interessanten Begegnungen verbunden ist.

Haben Ihnen die Vorerfahrungen als Stadtrat, aber auch als Geschäftsführer in der Alten Mälzerei, bei der Findungsphase in die neue Rolle geholfen?
Mir hat es wohl insofern geholfen, als ich eigentlich das Ausüben einer Führungsposition nie klassisch gelernt hatte. Ich hatte mir das eher im Laufe der Zeit angeeignet. Ich glaube dass ich einigermaßen gut mit Menschen umgehen kann und das hat mir hier sicher geholfen. Ich habe eine lockere, aber nicht unverbindliche Art mit Menschen umzugehen, so dass im Rathaus auch häufiger mal gelacht wird. Was ich vorher noch nicht so kannte war die "formalisierte Verwaltung". In meinem früheren Leben wurde eben so lange gearbeitet bis die Arbeit fertig war, auch mal 16 Stunden am Stück und dafür am nächsten Tag nur 4. Das ist natürlich in einer großen Verwaltung viel formalisierter, und muss auch so sein. Alle in der Stadtverwaltung haben sich sehr viel Mühe gegeben, mich anzulernen und mir Dinge zu zeigen. Es war große Aufgeschlossenheit da, und dafür bin ich richtig dankbar.
2 Jahre Koalition mit der CSU

2 Jahre im Amt bedeuten auch zwei Jahre Koalition zwischen SPD und CSU in Regensburg. Wie läuft die Zusammenarbeit im Tagesgeschäft?
Was gut läuft sind die Ergebnisse für die Stadt. Das ist natürlich das wichtigste für die Menschen. Für alle in der Koalition ist es von höchstem Interesse, dass wir eine stabile Situation haben und das Leben der Menschen besser machen. Das ist der Kern von Politik. Schwierig sind die verschiedenen Charaktere, die hier aufeinander treffen. Es gibt Leute, die meinen sie wissen alles besser, und es gibt Leute, zu denen ich mich zähle, die gerne andere Meinungen hören und auch mal Ratschläge annehmen. Ansonsten ist die Koalition aber alternativlos und im Ergebnis gut für die Menschen in Regensburg.

Sie sind also auch nach wie vor der Meinung dass die große Koalition die richtige Entscheidung war, für die Stadt und auch für die Regensburger SPD?
Ja, für beide. Bei den kleinen Parteien gibt es sehr viele Politiker, die gut arbeiten und sich viel Mühe geben, auch gute Sachen anschieben. Sie sind aber keine homogene Truppe, es gibt zu viele Einzelinteressen. Eine große Koalition ist natürlich für die Regierungsparteien auch gefährlich, das hat man auf Bundesebene gesehen. Es droht immer, dass man neben dem "großen Bruder" nebenher läuft, dass also alle positiven Dinge ihm zugeschoben werden und alles Negative bei uns landet. Ich glaube aber, dass die Regensburger sehr wohl wahrnehmen, dass die Sozialdemokraten der eigentlich stabile Faktor in dieser Koalition sind. Bei der CSU weiß man ja meistens gar nicht genau, mit wem man es zu tun hat, mal abgesehen vom Koalitionsausschuss. Man weiß nicht, wer dort für was steht.
Bei Kommunalwahlen kommt es am Ende darauf an, dass die Menschen nach 6 Jahren sagen: "Die haben ihren Job ordentlich gemacht." Darum bemühen wir uns, das ist mein Anspruch. Ich will ganz seriös und ordentlich meinen Job machen, auch mit all den Fehlern, die man dabei macht. Wir haben in der SPD das Problem, dass wir Regierungsfähigkeit erst wieder lernen müssen. Opposition war leichter. Aber das lernen wir noch, immerhin waren wir vorher 12 Jahre in der Opposition bei einer absoluten Mehrheit der CSU. Regieren ist schwieriger, aber auch viel schöner. Es ist für einen Politiker ein schönes Gefühl, wenn man zum Beispiel einer Flüchtlingsfamilie eine Wohnung auf dem freien Markt vermitteln konnte, und man von dieser Familie gestern ein Plakat mit Dankesbotschaften von allen Familienmitgliedern bekommt. Das erreiche ich nicht in der Opposition, sondern nur dann wenn ich an den Hebeln sitze, mit denen ich Menschen helfen kann.

An welchen Beispielen sieht man denn konkret, dass Standpunkte und Themen der Sozialdemokraten in der Stadtpolitik durchgesetzt wurden?
Da gibt es eine ganze Menge, aber ich will es auf ein paar Kernpunkte beschränken. Ich glaube wir haben eine Menge dazu beigetragen, dass es jungen Menschen und Kindern und deren Umfeld heute besser geht als früher. Wir haben für ein kostenloses Mittagessen für bedürftige Menschen in Regensburger Bildungseinrichtungen gesorgt. Wir haben die Jugendsozialarbeit an Schulen deutlich ausgebaut. Wir haben Hilfen in individuellen Lebenslagen mit Stiftungsmitteln deutlich verbessert. Wenn heute jemand kein Geld hat, um sein Kind ins Schullandheim mitfahren zu lassen, zahlen wir das. Auch den Zugang zu Sportvereinen für Bedürftige haben wir vereinfacht, ebenso zur Sing- und Musikschule. Die zweite Gruppe deren Situation wir verbessert haben sind Menschen, die im Moment ein Problem haben, zum Beispiel durch die Stärkung der Selbsthilfegruppen. Die Regensburger Tafel wird finanziell unterstützt. Auch für Senioren haben wir eine Menge erreicht. Den Sozialdemokraten ist es zu verdanken, dass in Kumpfmühl eine neue Pflegeeinrichtung speziell für Menschen mit Demenzerkrankungen entsteht. Das ist ein Millionenprojekt und in diesen Zeiten nicht selbstverständlich. Wir haben den sozialen Wohnungsbau wieder angeschoben, weil bezahlbarer Wohnraum in der Stadt wirklich schwer zu bekommen ist.
Neben diesen praktischen politischen Erfolgen haben wir, denke ich, auch etwas am Klima in der Stadt verändert. Die Zukunftsfähigkeit dieser Stadt definiert sich nicht mehr nur über die wirtschaftliche Situation, sondern es gibt auch immer mehr Bewusstsein dafür, dass sie auch davon abhängt dass uns keiner verlorengeht.
Bürgerheim Kumpfmühl

Sie haben schon ein Thema angesprochen das die Menschen in unseren Ortsteilen besonders beschäftigt, nämlich der Neubau des Bürgerheims in Kumpfmühl. Wie ist da der momentane Stand?
Jetzt ist der Stand so, dass wir im Vorgriff auf den Neubau schon Bäume roden mußten. Das habe ich den Menschen dort auch erklärt, denn das ist ja erst mal nicht schön, aber musste sein, weil wir sonst nicht bauen können. Jetzt laufen archäologische Untersuchungen, es gibt Grabungen. Wir gehen aber davon aus, dass wir da nichts Großartiges finden. Im Frühjahr 2011 wird dann Baubeginn sein, und zwar bauen wir in Abschnitten. Die jetzigen 140 Betten bleiben und wir bauen so, dass wir diese Zahl stabil halten können. Immer wenn ein Abschnitt fertig ist, wird ein Teil der Bewohner umziehen, dann wird der alte Abschnitt abgerissen und der nächste neue gebaut. Wir rechnen im Frühjahr/Sommer 2013 mit der Fertigstellung. Der Park bleibt vollständig erhalten, es gibt keine Eingriffe. Es wird wieder ein schöner Mittelpunkt für den Stadtteil, davon bin ich überzeugt.

Der Umzug wird für die Bewohner natürlich früher oder später aktuell. Bei den Bewohnern und deren Angehörigen gibt es Sorgen darüber, wie das dann genau ablaufen wird.
Sorgen machen muss sich keiner. Wir haben bereits im Rahmen einer Veranstaltung Bewohner und Angehörige informiert, das gehört sich auch so. Natürlich ist eine Baustelle immer auch mit ein paar Unannehmlichkeiten verbunden, z.B. was die Erreichbarkeit, den Lärm oder die Zahl der Stellplätze angeht. An der Lebenssituation der Bewohner im Heim wird sich aber während der Bauarbeiten nichts ändern. Die Ängste sind uns aber sehr wohl bewusst und wir werden uns bemühen, den Bewohnern und Angehörigen diese Sorgen zu nehmen. Bei den Mitarbeitern ist uns das bereits gelungen, die freuen sich auf den Neubau.

Kann und sollte es sich die Stadt überhaupt noch leisten, eine solche Einrichtung selbst zu betreiben?
Das ist, wenn man so will, ein politisches Glaubensbekenntnis. Wenn eine Stadt wenig Geld hat, muss sie sich darauf beschränken, für das sie originär zuständig ist. Für die Pflege von älteren Menschen ist die Stadt per Gesetz nicht zuständig, aber hier kommt es dann auf das politische Selbstverständnis an. Wenn man für junge Menschen Starthilfen ins Leben zur Verfügung stellt, ist es meiner Meinung nach geboten, auch älteren Menschen zur Seite zu stehen. Das ist gerecht und hat etwas mit Mitmenschlichkeit und Dankbarkeit zu tun. Ich habe der Generation meiner Eltern und meiner Großeltern alles zu verdanken. Mir geht es weit besser als vielen anderen Menschen auf dieser Welt, und das ist der Verdienst der früheren Generationen. Umgekehrt erwarte ich auch von meinen Kindern, dass sie mir im Alter etwas von dem zurückgeben, was ich ihnen jetzt mitgebe. Das ist gelebter Generationenvertrag, so etwas prägt Politik.

Vier Jahre Regierungszeit liegen noch vor Ihnen. Welche großen Aufgaben stehen in dieser Zeit an?
Für mich gibt es sechs Punkte, die das politische Handeln der nächsten Jahre bestimmen müssen. Der erste ist die Erhaltung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen, also die Wirtschaftsförderung. Das bedeutet die Ansiedlung von Betrieben zu fördern, aber auch selbst im öffentlichen Dienst Arbeitsplätze zu schaffen.
Der zweite Punkt ist die Vorbereitung auf eine älter werdende Gesellschaft. Es müssen Angebote für aktive Senioren geschaffen werden und gleichzeitig auch bessere Pflegeangebote für diejenigen, die sich nicht mehr selbst helfen können.
Der dritte Punkt ist eine bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. In Regensburg leben 28.000 solche Menschen, und es werden Gott sei Dank mehr und nicht weniger. Die Integration muss als Chance begriffen werden und nicht als Gefahr.
Der vierte Punkt ist die öffentliche Sicherheit. Es gibt inzwischen zunehmend Gegenden in der Stadt die von den Menschen als Angsträume empfunden werden. Das darf nicht sein. Wir müssen weiter investieren in Feuerwehr, den Ordnungsdienst aber auch in den Bereich Jugendschutz.
Der fünfte Punkt ist die Bildung. Da sind wir nur begrenzt zuständig, aber wir können in bestimmten Bereichen schon etwas machen, zum Beispiel bei der Jugendsozialarbeit an Schulen. Dazu gehört auch die Förderung der Ganztagsschulen in Regensburg. Bei der Bildung dürfen wir nicht sparen, wir haben in Deutschland nur das, was wir in unseren Köpfen haben.
Den sechsten Zukunftsbereich nenne ich immer "differenzierte Hilfe in unterschiedlichen Lebenslagen". Wo Hilfe über Programme geleistet werden kann, ist es wunderbar, aber auch individuell im Einzelfall muss es Möglichkeiten geben. Das ist auch bei einer Stadt in der Größe Regensburgs noch überschaubar und machbar.
Das sind für mich die sechs großen Herausforderungen. Vieles andere ist wünschenswert, aber in Zeiten knapper Kassen nicht überlebenswichtig bei einer Stadt.

Vielen Dank für dieses Gespräch!